Literaturprojekte

Erna blieb allein zu Haus

In meinem Buchprojekt "Erna blieb allein zu Haus" geht es darum wie man die Einsamkeit im Alter bewältigt wie Familienangehörige damit zurecht kommen und welche Vorstellungen von Familie virulent werden. Ausgehend von biographischen Daten soll die Entwicklung einer typischen Familiengeschichte rekonstruiert werden.

Wenn die Kinder aus dem Haus sind, wird es stiller um den, der zurückbleibt. Unter den Alleinlebenden ist der Anteil der alten Frauen heute besonders groß. Wie organisiert man dann sein Leben, wenn die eigenen Kräfte nachlassen und die Familie als Rundum-Versorgungseinrichtung wegfällt oder nur noch partiell zur Verfügung steht? Meine Mutter ist 96 Jahre alt, unser Vater ist vor mehr als zwanzig Jahren gestorben, das jüngste Kind verließ Anfang der 80er Jahre das Elternhaus. Keines der Kinder wohnt mehr in der Nähe unserer Mutter. Trotzdem hat unsere Mutter immer noch die Vorstellung, das Alter im Kreise der Familie zubringen zu dürfen. Das ist aus vielerlei Gründen nicht möglich, was unsere Mutter jedoch nicht daran hindert, weiterhin dieses Familienmodell  zu favorisieren. Nach dem Tod ihres Mannes konnte sie sich nicht entschließen, zu einem der Kinder zu ziehen. Erst als es nicht mehr anders ging, sich allein zu versorgen, stand ein Umzug in ein Altersheim an. Sie sagte einmal: "Zu was habe ich eigentlich meine vier Kinder? Nach ihrer Vorstellung hält eine Familie ein Leben lang zusammen, man ist füreinander da und wird von der Familie versorgt, wenn man alt und gebrechlich geworden ist. Die Kinder teilen diese Einschätzung von Familie, fühlen sich aber gleichzeitig moralisch bedrängt, denn die Umstände sind nicht so, dass dieser Einschätzung in der Praxis auch entsprochen werden kann. Sohn und älteste Tochter, beide schon im Ruhestand, sind auf unterschiedliche Weise nicht willens oder in der Lage, persönlich die Betreuung ihrer Mutter zu übernehmen, die anderen Geschwister stehen noch im Beruf und können sich ebenfalls nicht vor Ort um ihre Mutter kümmern.

Als meine Mutter mich und meine Frau vor einigen Jahren immer wieder einmal besuchte, begann ich nach ausführlichen Gesprächen ihre Lebensdaten in einen Zusammenhang zu bringen. Daraus ist eine kleine Biographie entstanden, die seitdem Woche um Woche um kleine und große Ereignisse in Form eines Tagebuchs ergänzt wird. Ein solches Tagebuch gibt reichlich Gelegenheit sich mit den Begleiterscheinungen des Alters auseinanderzusetzen, dass dabei auch eine Selbstbespiegelung stattfindet, wird niemanden verwundern.

Aus dem Leben eines Pensionisten

Ein Tagebuch führte ich schon zu Schulzeiten als ich als Rektor einer Mittelschule am Ende eines jeden Schultages alles mir wichtig Erscheinende aufschrieb. Später entstand daraus mein "Tagebuch eines Schulleiters". Mit der Pensionierung setzte ich diese Gewohnheit, Alltäglichkeiten aufzuschreiben, fort. Zu meinen Alltäglichkeiten gehören jetzt ungewohnte Arbeiten in Haus und Garten aber auch künstlerische Ambitionen kommen jetzt verstärkt zur Anwendung. Meine lieben Kollegen schenkten mir mir zum Abschied eine komplette Ausrüstung für Steinmetz-, Schnitz-, Mal- und Sägearbeiten. Die Früchte dieser schönen Tat stehen heute überall bei uns herum und verstellen mittlerweile schon den freien Blick aufs Bücherregal. Das Lesen gehört aber nach wie vor zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, ist jedoch meist an mein jeweiliges Schreibprojekt gebunden. Seit meiner Pensionierung haben die Bücherregale in unserer Wohnung wieder Zuwachs bekommen; vor allem das 18. Jahrhundert, für einen Pädagogen ohnehin das Lieblingsjahrhundert, ist stark vertreten. Hinter jedem meiner Bücher stecken, wie sollte es anders sein, Dutzende von fremden Büchern, denn nicht alles lässt sich in der nächstgelegenen Bibliothek lesen. Mein Hauptarbeitsplatz ist immer noch der Schreibtisch und die Computertastatur ist immer noch dasjenige Werkzeug, das ich am meisten nutze. Ob einmal aus meinen bislang auf 18 Bände angeschwollenen Büchern "Aus dem Leben eines Pensionisten" ein richtiges Buch wird, vermag ich heute noch nicht zu sagen. Als ein Speicher guter Sprüche und Kommentare zu Ereignissen der Zeit wird mich mein Tagebuch vielleicht im fortgeschrittenen Alter einmal amüsieren.

 

Zum Seitenanfang